beobachterinstanz

Die bloße, direkte und achtsame Wahrnehmung der sich wandelnden Bewusstseinsinhalte ermöglicht es, sich immer seltener unmerklich in grübelnde, verwickelte, weiterführende Assoziationen über Herkunft, Grund, Implikationen oder Inhalt der Erfahrungen zu verstricken. Die freiwerdende Aufmerksamkeit, deren Größe sich individuell unterscheidet und begrenzt ist, steht nun zur Verfügung, um in das Beobachten des gegenwärtigen Erlebens einzufließen und so weitere nicht bewusste Aspekte zu erfassen. Regelmäßiges Meditieren kann daher zu einer größeren kognitiven Verarbeitungstiefe und -breite führen und damit subjektiv in einer weiteren, umfassenderen Perspektive auf das gegenwärtige Alltagsbewusstsein münden.

 

OFFENHEIT

Mit steigendem Beobachterbewusstsein, das sich durch das Meditieren verfestigt, wächst die Bezogenheit zur Realität. Diese Wirklichkeitsnähe der Wahrnehmung entwickelt sich dadurch, dass immer weniger internalisierte Vorannahmen, Erwartungen und Bewertungen aus der Vergangenheit die gegenwärtige Wahrnehmung vernebeln. Gegenüber den im Bewusstsein auftauchenden und im Gedächtnis gespeicherten Erfahrungen nehmen Meditierende immer wieder eine innere Haltung ein, die gekennzeichnet ist durch Offenheit, Neugier und Akzeptanz. 

 

EINSICHT

Insbesondere die Einsicht in den Strom der Gedanken, der Stimmungen und Emotionen führt zu einer steigenden Unterscheidungsfähigkeit zwischen den einzelnen mentalen Vorgängen (Kognitionen, Körperwahrnehmungen, Gefühle, Bilder) und deren Bedeutung, die miteinander verknüpft sind. 

 

INTENSITÄT

Mit zunehmender Übungspraxis steigt die Intensität der subjektiv erlebten Emotionen, idealerweise bis zu einem Kulminationspunkt; sie werden zunehmend deutlicher erlebt. Das Beobachten unserer Innenwelt bzw. aller aufsteigenden Inhalte lehrt die Übenden, sich ihrer Emotionen – angenehm oder unangenehmen –bewusster zu werden, sie intensiver wahrzunehmen, sich ihnen zu öffnen, sie zu empfangen, zu akzeptieren, um ihre an sich neutrale Energie konstruktiv zu wenden, anstatt sie zu vermeiden. 

 

WOLLEN

Es erklärt sich daher von selbst, dass dazu ein starker Wille, eine offene innere Ausrichtung aber auch Mut gehören. Meditierende lernen in diesem Bewusstwerdungsprozess nicht nur, den Strom der Gedanken als vorübergehend wahrzunehmen, sie erfahren auch, dass Emotionen vorübergehend, sich wandelnd und vergänglich sind. Beispielsweise, dass die unangenehmen oder negativen Emotionen nicht angsteinflößend sein müssen oder der Aufenthalt in positiven Emotionen den Raum inneren Wohlbefindens vergrößert. Diese Erkenntnisse sind neben der Einsicht, dass es, wie der griechische Philosoph Heraklit es ausdrückte, alles fließt (Panta Rhei).

 

LETTING GO

Die Kundalini Meditation hilft dabei das eine oder andere Leid loszulassen. Voraussetzung dafür ist die Installierung des Beobachters mit der Aktivierung des sechsten Chakras (Ajna-Zentrum oder Drittes Auge). Dieser Zustand korreliert mit einem klareren Erleben von Gefühlen (Pfeifer 2014). Im weiteren Verlauf der Meditationspraxis nimmt dieses Beobachten von Gedanken und Emotionen eher als fließende und vorübergehende Erscheinungen weiter zu. Beobachten zählt über alle Traditionen oder Schulen hinweg zu den Königsdisziplinen. Der prozessorientierte Übungsverlauf ermöglicht es den Praktizierenden, egal welche Meditationstechnik oder –form, diese anzuwenden und mit ihrer subjektiven Erfahrung in Kontakt zu kommen und damit regulativ umgehen zu lernen. 

 

BEFREIUNG

Die intendierte Reaktivierung biografischer Inhalte wird Willkommen geheißen, um infolgedessen psycho-pathologiefördernde Vermeidungsstrategien fallen lassen zu können. Mit steigender Praxis werden die Gefühle bewusster erlebt, während die Reaktivität darauf hin abnimmt. Auf ein starkes Gefühl wird aufgrund der sicheren Verwurzelung im Beobachterbewusstsein immer weniger mit ausgedehnter emotionaler, physiologischer und motivationaler Reaktivität geantwortet. Der meditative Weg startet demnach wie folgt: 

 

STUFEN

Unangenehme Inhalte (Erinnerungen, Gedanken, Emotionen, Bilder) tauchen im Bewusstsein auf. Dessen mentale Evaluation verursacht starken psychischen Stress, worauf automatisch mit gelernten Verhaltensmustern reagiert wird. Die Komponenten Evaluation und Reaktion verstärken diesen dys-funktionalen Kreislauf. Um hier eine größere Balance herzustellen, ist es nach meiner Beobachtung

insbesondere die Dynamische Meditation, die als schneller Katalysator wirkt. Diese Technik bringt diejenigen Komponenten in den Fokus der Aufmerksamkeit, die dann abnehmende Beachtung finden. Die durchaus körperlich anstrengende Meditation schließt nicht nur das Beobachten der Sinnes- und Körperempfindungen oder der Gedankenströme ein, sondern explizit die der Emotionen, die in dieser Meditation auf dem Weg der Befreiung ihren Ausdruck finden dürfen und sollen. 

 

PSYCHO–MENTALE GESUNDHEIT

Dies führt im weiteren Übungsverlauf zu verringerter emotionaler Reaktivität auf die Gedanken und Emotionen. Aus den genannten Gründen, dem Bezug zu den Neurowissenschaften und der Bonding-Therapie, sowie Interviews mit Medizinern und Psychologen, die ich führen konnte, sehe ich außerdem in den aktiven Meditationen ein wirksames Instrument für ihren Einsatz bei einer breiten Palette von Psychopathologien. Willumeit (2019), der als psychologischer Psychotherapeut seit Jahrzehnten in einer Psychosomatischen Klinik mit aktiven Meditationen experimentiert, berichtet von deren positiven Einsatz im Rahmen heterogener Behandlungskonzepte bei Angst- und Schlafstörungen, Ess-Störungen, Depressionen und Burnout. Hier kannst du das Buch bestellen.